Veranstaltung: | Digitales Ortsmitgliedertreffen SV Göttingen |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Leitantrag |
Antragsteller*in: | Stadtvorstand, AG Wohnen, AG Bildung & Soziales (dort beschlossen am: 27.08.2020) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 27.08.2020, 11:51 |
A1: Umgang mit den Gebäudekomplexen Groner Landstraße und ähnliche
Antragstext
Die Situation in den beiden Wohnkomplexen Iduna-Zentrum und Groner Landstraße 9,
9a und 9b hat in den letzten Wochen und Monaten deutlich Versäumnisse der
kommunalen Politik zutage treten lassen. Dies soll und muss sich ändern. Der
Stadtverband Bündnis 90/Die Grünen Göttingen fordert deshalb, umgehend ein
umfassendes kommunales Konzept zum Umgang mit diesen Immobilien zu erarbeiten.
Dieses Konzept hat zum Ziel,
- …die gesellschaftliche Integration und soziale Teilhabe der Kinder und
Jugendlichen sowie der erwachsenen Bewohner*innen zu verbessern, auch der
(noch) nicht Gemeldeten
- …die Qualität der Wohnsituation bzgl. Sicherheit und Hygiene, eines
angstfreien Lebens, des Zusammenhalts in der Nachbarschaft usw. zu
verbessern und zu fördern,
- …angemessene Wohnungen für die Bewohner*innen entweder im vorhandenen
Objekt oder in anderen, ggfs. auch neu zu errichtenden Wohngebäuden zu
ermöglichen
- …Angebote zur sozialen Teilhabe (wie bspw. Beratungs- und
Betreuungsangebote) in unmittelbarer Nähe zu solchen Wohnkomplexen
einzubeziehen, sodass Lücken bei den sozialen Angeboten geschlossen und
Zielgruppen mit entsprechendem Bedarf erreicht werden können,
- …Schluss zu machen mit der Zahlung horrender Mieten für verwahrloste
Wohnungen, die allein die Profitinteressen einiger Weniger befriedigen und
- …allgemein und langfristig den Ausbau des sozialen und qualitativ guten
Wohnungsbaus in Göttingen massiv zu fördern.
Begründung
Die Diskussionen um den Umgang mit den mit dem COVID-19-Virus infizierten Menschen im Iduna-Zentrum und im Gebäudekomplex Groner Landstraße 9, 9a und b sowie um den Umgang mit Quarantäne-Vorschriften und den Schutz vor einer Ausbreitung der Pandemie haben deutlich werden lassen, dass die Stadt Göttingen lange Jahre die Augen vor der für viele in diesen Objekten wohnenden Menschen nicht zu ertragenden, sie einschüchternden und krank machenden, schlicht unwürdigen Situation verschlossen hat. In mehreren Wohnkomplexen in der Stadt (z.B. auch im Hagenweg 20) streichen die Besitzer*innen hohe Mieten von 25 € und mehr pro Quadratmeter ein bei schlechten bis unzumutbaren Wohnverhältnissen. Die Mieten werden zu einem großen Teil von der Kommune als Kosten der Unterkunft finanziert.
Umgekehrt passiert nahezu nichts zum Erhalt menschenwürdiger Lebensbedingungen seitens der Eigentümer, die darauf setzen, die Wohnungen an Armutsmigranten*innen, teils über Mittelsmänner, betten- oder zimmerweise zu vermieten. Zum Teil findet sich eine starke Überbelegung der Wohnungen. Die extreme Nutzung führt dazu, dass sich der Zustand der Immobilie immer weiter deutlich verschlechtert. Dennoch bleiben für viele, die in anderen Teilen der Stadt keine Wohnung finden, diese Gebäudekomplexe oftmals nur noch als letzter Ausweg.
In den Häuserkomplexen leben viele Migrant*innen, in der Groner Landstraße z.B. viele Neuzugewanderte aus Bulgarien und Rumänien, darunter weit über 200 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Die Versorgung mit sozialen Unterstützungsangeboten und insbesondere mit Betreuungs- und Bildungsangeboten für Kinder- und Jugendliche im Nahraum ist unzureichend.
Um diese Missstände zu beseitigen braucht es ein umfassendes Konzept, das mehrere Ebenen gleichzeitig adressiert.
- Baulich-wohnraumbezogene Ebene
Auf der baulich-wohnraumbezogenen Ebene geht es darum, nicht weiter zuzusehen, wie die Besitzer*innen der besagten Immobilien weiter den Profit einstreichen, ohne für eine angemessene Instandhaltung des Wohnraums zu sorgen und adäquate Mietpreise anzusetzen.
Hierfür muss die Stadt den Druck auf die Vermieter*innen erhöhen, indem
- alle ordnungsrechtlichen Möglichkeiten (Baurecht, städtebauliche Satzungen etc.) ausgeschöpft werden,
- die Mieter*innen durch eine anwaltliche Stadtteilarbeit dabei unterstützt werden, sich gegen die Zustände im Haus zu wehren,
- außerdem ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, gemeinsam mit Partnern die Immobilien in kommunalen oder gemeinwohlorientierten Besitz zu übernehmen, um einen stärkeren Einfluss auf die Verbesserungen der Lebensbedingungen zu haben, und
- ein Konzept zum Bau von adäquatem Ersatzwohnraum aufgestellt und konsequent verfolgt wird. Wenn die Mieten aus Sozialleistungen, die im Iduna-Zentrum und in der Groner Landstraße für privaten Profit gezahlt werden, für die Refinanzierung von neu zu bauendem Wohnraum genutzt wird, lässt sich auch in Göttingen kostendeckend bauen.
- Sozialinklusions- und die Bildungsgerichtigkeit fördernder Bereich
Um die über einen langen Zeitraum aufgebauten Probleme in den Gebäuden zu lösen, braucht es langfristige, nachhaltige Lösungsstrategien. Selbst wenn es gelingt, die angesprochenen Vorhaben umzusetzen, werden sie nicht sofort zu einer Verbesserung der Lebenssituation der betroffenen Menschen führen. Zusätzlich braucht es soziale und bildungspolitische Unterstützungsmaßnahmen.
Konkret bedarf es für die Groner Landstraße kurzfristig die Einrichtung einer Sozialstation in unmittelbarer Nähe, den provisorischen Betrieb eines barrierearmen Sozial- und Familienzentrums in Kombination mit dem Kinder- und Jugendhaus sowie einer Kita oder einer Kita-ähnlichen Einrichtung in unmittelbarer Nähe des Objektes. Diese Unterstützungsstruktur soll mittelfristig verstetigt werden.
Mittel- und langfristig sind darüber hinaus politische Impulse so zu setzen, dass die bildungspolitische Segregation in Göttingen, die die Kinder und Jugendlichen aus den Familien in den großen Immobilienkomplexen in besonderem Maße betrifft, abgebaut wird.
Wenn diese zwei Ebenen zusammen gedacht werden, kann sich an der Situation der Menschen, die aktuell in nicht akzeptablen Wohnbedingungen leben müssen und keine ausreichende Unterstützung erhalten, nachhaltig verbessern.
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